was bedeutet tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie? Wie muss ich mir das vorstellen? Was kommt auf mich zu?

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie (TP) gehört neben der Psychoanalyse und der Verhaltenstherapie (VT) zu den drei Richtlinientherapien. Sie ist wissenschaftlich begründet und ein vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gesetzlich anerkanntes Therapieverfahren.
 
Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie greift auf die theoretischen Grundannahmen der Psychoanalyse zurück. Sie konzentriert sich jedoch auf den im Vordergrund stehenden unbewussten Konflikt und arbeitet mehr im Hier & Jetzt sowie in der Beziehung. Sie ist vom Umfang her begrenzter, findet im Sitzen und in der Regel einmal wöchentlich statt.

Es wird davon ausgegangen, dass wir im Rahmen unserer frühen Beziehungserfahrungen unbewusste Beziehungsmuster ausbilden und teilweise ungelöste unbewusste Konflikte bestehen bleiben. Unsere unbewussten Konflikte beeinflussen unser Denken, Fühlen und Handeln - bei jedem Menschen. Psychische oder körperliche Symptome treten meist dann auf, wenn aktuelle Belastungen (Konflikte, Trennung, Verlust, Kränkung, Krankheit, Stress, Überforderungsgefühle) hinzutreten. Dann werden zusätzlich zur aktuellen Belastung auch entsprechende ungelöste Konflikte oder Traumata aus der Kindheit berührt und werden wieder virulent. Oft liegt dem ein Zusammenspiel vieler Faktoren zugrunde. Die psychische Abwehr (die bisher ermöglichte, trotz der erlebten Erfahrungen einigermaßen im Alltag zu "funktionieren") bricht vorübergehend zusammen. Psychische Probleme, Symptome bzw. Erkrankungen können somit vor dem Hintergrund der - vor allem frühen - Lebensgeschichte verstanden werden.

Zugang zu Unbewusstem kann man unter anderem über Träume oder freie Assoziationen bekommen. Eine andere Möglichkeit liegt darin, immer wiederkehrende typische Beziehungsmuster in den gegenwärtigen Beziehungen zu erkennen. Im Rahmen eines tiefenpsychologisch fundierten Vorgehens wird davon ausgegangen, dass sich die leidbringenden Beziehungsmuster in Form von vertrauten Ängsten, Wünschen oder Konflikten auch in der Beziehung zum Therapeuten manifestieren werden. Die damit verbundenen, meist verdrängten Gefühle werden erlebbar. Durch die Aktivierung dieser Muster im Hier-und-Jetzt der therapeutischen Beziehung ist es möglich, sie bewusst wahrnehmen zu lernen und gemeinsam mit dem Therapeuten einen Schritt hinter sie zurückzutreten. Dies ist eine Voraussetzung dafür, weniger in automatisch ablaufende leidvolle Muster verstrickt zu werden, sondern sie im therapeutischen Prozess vor dem Hintergrund der eigenen Lebensgeschichte verstehbar werden zu lassen. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit den Kindheitserfahrungen können aktuelle Konflikte neu bewertet und eingeordnet werden sowie neue Lösungsansätze entwickelt werden, was einen anderen Umgang mit ihnen ermöglicht.  Indem die lebensgeschichtlichen Ursachen für die aktuellen Probleme verstanden werden, wird deren Einfluss auf das jetzige Leben gemindert. So wird es nach und nach möglich, sich freier zu verhalten und eigene Muster durch für Ihr Wohlbefinden günstigere zu ergänzen oder zu ersetzen. Das Ziel des therapeutischen Prozesses sind dabei wachsende Autonomie und Eigenverantwortlichkeit. Dies geht einher mit einem besseren Gefühl für sich selbst, mehr innerer Freiheit und Lebendigkeit und letztlich einer Besserung der Symptomatik.

Eine vertrauensvolle Beziehung zum Psychotherapeuten sowie die eigene Bereitschaft, sich in diesem geschützen Raum zu öffnen, bilden die Voraussetzung dafür, sich den oft schmerzlichen Gefühlen stellen zu können und dadurch in der Folge eine Veränderung zu ermöglichen.

Neben der Konflikt-Ebene wird immer auch berücksichtigt, ob Sie Traumatisierungen erfahren haben, und inwieweit Sie in der Kindheit die Chance hatten, verschiedenste" zwischenmenschliche Fertigkeiten" zu erwerben. Als Beispiele seien hier nur die Fähigkeit, eigene Gefühle wahrzunehmen, Gefühle zu regulieren, sich in Andere hineinzuversetzen oder Bindungen einzugehen genannt. Auch an solchen Fertigkeiten kann in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie gearbeitet werden. Ebenso ist eine Arbeit an Traumata möglich.